Die Malediven - wie sie einmal waren

Über die ursprünglichen Malediven


Mitteilungen für interessierte Segler und Weltenbummler

Ich muss vorausschicken, dass sich alle meine Schilderungen in diesem Buch auf selbst Erlebtes zumeist außerhalb touristisch genutzter Atolle beziehen. Der Tourismus auf den Malediven war nie mein Thema. Dafür dokumentieren meine Texte die ursprünglichen Malediven vor der Jahrtausendwende, wie sie der Normaltourist nicht erleben kann.

Das Revier

Im garstigen nordeuropäischen Winter Wärme rund um die Uhr. Das Wasser misst 28 Grad Celsius, ist sauber und voller buntem, quirligen Leben. Darum habe ich mich immer wieder mit Maske und Schnorchel unter meinem Boot hängend kilometerweit an den Riffen entlang treiben lassen, hineingeschaut ins größte und schönste Seewasseraquarium unseres Planeten.
Korallenriffe bremsen die ozeanische Dünung, aber nicht den Wind. So ließen sich an der Leeseite dieser Riffe Höchstgeschwindigkeiten über glattes Wasser ersegeln. Viele kleine, meist unbewohnte flache grüne Inseln mit weißen Sandstränden und hell leuchtenden Sandbänken liegen im reinsten Türkis in Sichtweite. Auf solche Ufer ließ sich mein Boot leicht ziehen und abstellen. Das ersparte mir Ankerprobleme und schenkte sorglose Nächte bei drohenden Wettern. Pure Natur in reinsten Farben, menschenleer, ohne Lärm, Wände, Zäune, Schornsteine, keine Gebots- und Verbotsschilder. Wo keine Menschen sind, herrscht Frieden, paradiesischer Frieden in denkbar größtmöglicher Freiheit.

Die Eingeborenen

Braunhäutige Menschen; ein Völkergemisch aus Arabern, Indern, Srilankern, Europäern, alle sunnistische Moslems, gastfreundlich und friedlich, neugierig, gewaltfrei, sehr bescheiden und zufrieden lebend mit eher kindlichem Gemüt. Zumeist Fischer, die fremdes Eigentum respektieren. Unter ihnen lebte ich, obwohl ein Christ, wie unter Brüdern und Schwestern.- In den Einflussgebieten des Tourismus verhalten sich Malediver anders.

Das Schiff

Ein Strandkatamaran oder ein ca. 8 m langes Dhoni aus Palmholzbohlen mit einzylindrigem Dieselmotor sind hier ideal. Am besten, man hat beides. Mit einer chromglänzenden Segelyacht, wie ich sie in Marinas und auf Messen anstaunte, wäre ich in dieser Inselwelt ein Fremder geblieben.
Für einen Strandkatamaran spricht, dass ich ihn billig, weil reparaturbedürftig für 1.500,- DM erwerben und nach Reparatur und Ergänzungen zerlegt per Luftfracht mitnehmen konnte. Er hatte vollbeladen etwa 20 cm Tiefgang, ist durch eingebaute Auftriebskörper unsinkbar, schnell, wiegt segelklar nur 148 kg. Mit ihm kommt man über sehr flaches Wasser, weil er keine Schwerter benötigt. Seine Ruderblätter klappen bei Grundberührung automatisch hoch und lassen sich während der Fahrt leicht wieder über das Rudergestänge herunter klappen. Mein Boot (ich hatte einen Hobiecat 16) hat keine Plicht, die vollschlagen kann. Die Trampolinfläche von ca, 2 x 2 m ist ideal zum Sitzen, Liegen und Schlafen. Ein mögliches Leck (außer im Spiegel) lässt sich leicht abdichten. Auf dem Sand abgestellt, findet man unter dem Trampolin liegend kühlenden Schatten, auf beiden Rümpfen gute Sitzmöglichkeiten.

Eigene notwendige Ergänzungen

1. Der Baum wurde angedirkt. Damit blieb das Trampolin vom Segel frei, behinderte nicht beim Angeln, Rudern, Schlafen.
2. Zwischen Hahnepot und Alurahmen wurde ein festes Netz ausgespannt, das den Anker samt Kettenvorlauf, allerlei Krimskrams wie z.B. nützliches Strandgut, vor allem aber gefangenene Fische aufnahm, die ich an den Schwänzen festzurrte, damit Wellen und Gischt sie mir nicht wieder rauswarfen. Darüber hinaus boten mir die stärkeren Netzkanten griffigen Halt, wenn ich nach vorn über die Bootskörper musste, um etwas am Vorsegel aufzuklaren oder den Anker zu bedienen hatte.
3. In das Trampolin wurden Verstärkungen, Messingaugen und Bändsel eingenäht, um das unfangreiche Gepäck zu sichern.
4. Über beiden Bootskörpern wurde je ein nach eigener Machart wasserdicht verschließbares, 2,40 m langes KA-Rohr von 15 cm Durchmesser aufgehängt. Diese beiden Rohre wurden zur Kühlung ihres jeweiligen Inhaltes (Kleidung, Werkzeug, Medikamente, Nahrungsmittel, Foto- und Filmmaterial usw.) der mittels Leine an einer Scheibe herausziehbar war, mit Kokosleine umwickelt, die während der Fahrt nass wurde und so Verdunstungskälte erzeugte. Gefüllt wirkten sie wie Stabilisatoren. Im Notfall hätten diese wasser- und luftdichten Rohre als Rettungsfloß dienen können. Ihr einziger Nachteil: In höherer Welle bremste ihre Stirnfläche stoßweise die Fahrt.
5. Die Sohlen der Schwimmkörper wurden zweifach mit Glasfasermatte und Harz/Härter gegen Riffberührung verstärkt. In 14 Wintern hatte ich dort kein Leck.
6. An den Alu-Rahmen wurden links und rechts je eine Niro-Dolle zum Rudern fixiert. Das und die längeren Riemen erwiesen sich als lebensrettend bei Havarien und Flaute.
7. Ein Niro-Anker mit Niroketten-Vorlauf wegen der scharfen Riffkanten erhielt 200 m Nylonleine 6 mm stark. Die Ankerkrallen ließen sich mit großer Kraft geradebiegen, wenn sich der Anker in 30 m Tiefe in Steinkorallen verhakt hatte.
8. Dort, wo drei Kauschen von Hahnepot und Vorstag zusammenkommen, wurde ein Block eingeschäkelt, über den die Ankerleine lief und so auch der Mast ohne fremde Hilfe aufgestellt werden konnte. Dreimal kam mir auf See die gesamte Takellage runter. Ich konnte sie alleine im Seegang dümpelnd wieder richten.
9. Die beiden Spiegel waren die verwundbarste Stelle an meinem Katamaran. An ihnen sind die Ruder aufgehängt. Hier kann der Bootskörper leicht undicht werden und Wasser ziehen. Vorsorglich schäumte ich das Heck beider Bootskörper durch die eingebauten Inspektionsluken aus. Das rettete mir das Leben.
10. Kompass, Seekarten, ein Auszug aus dem Strömungs- und Tidenkalender, Taucherbrille, Schnorchel, Neoprenfüßlinge mit fester Sohle, wenn man im flachen Wasser über unreinen Grund waten muss, Flossen, Sonnenbrille, hoher Schutzfaktor gg. Sonne, breitkrempiger Hut mit Kinnband, kleines Solarmodul, Gerät zum Kochen und Braten, Vitamin- und Mineralpulver, Vielzweck- und Haumesser, Feuerzeug, Ölzeug gg. Regen, Foto- und teures Filmgerät u.v.a.m führte ich mit.
11. Ohne Meeresangel, Stahlvorfächer, Ersatzsehnen, künstlichen Ködern und Nirogaff zum Landen größerer Fische wäre ich dort verhungert.
12. An Medikamenten waren unverzichtbar: Fibrolansalbe, Betaisodona, Breitbandantibiotika. Viel zu spät erkennte ich die Heilkräfte des eigenen, frischen Urins bei Hautabschürfungen, Verätzungen durch nesselnde Meerestiere, Ohrenschmerzen.
13. Das originale Hobiezelt zerfetzte die erste Gewitterböe. Ich ließ mir in Deutschland nach eigenen Vorstellungen aus LKW-Plane ein sturmfestes Zelt schneidern mit zwei Wassertaschen von je 25 Ltr. Fassungsvermögen und Moskitonetz vor dem Eingang. Den Zeltboden ersetzte das Trampolin. Dieses Zelt wurde unter den angedirkten Baum gehängt, die Wände über die vier Alu-Rahmenecken gezogen. Durch die Verschnürungszonen des Trampolins strömte selbst bei geschlossener Zelttür immer eine frische Atemluft.
14. Auf den baum- und buschlosen Sandzungen der Inseln und auf Sandbänken gab es keine Moskitos. Ratten gab es nur auf Palmeninseln. Sie und die Krabben gelangten nicht aufs Trampolin. Es sei denn erstere über die Ankerleine. Mit einem eingeschnittenen Plastikteller schuf ich Abhilfe. Manchmal ankerte ich in einer geschützten Lagune weit weg von Inseln im Meer oder auf meinem schwimmenden Boot im Windschatten einer Insel im flachen Wasser und schlief auf dem Trampolin unter freiem Himmel. Damit ersparte ich mir das strapaziöse Hochbuckeln.
15. Heute würde ich ein Handy mitnehmen.

Auf was ich freiwillig verzichtete

Unseren gesellschaftlichen Ballast ließ ich zu Hause, so auch Zeitungen, Weltempfänger, TV, Unterhaltungslektüre. Dafür hatte ich keinen Stauraum. Ein Funkgerät wäre zwecklos gewesen. Sogenannte Genuss- und Rauschmittel, wie Drogen, Alkohol, Tabak, Kaffee und stimulierende Medikamente lehne ich ab. Nichts von alledem habe ich dort vermisst.

Maledivische Gesetze

wurden von den Behörden streng gehütet. Wer touristisches Terrain verlassen wollte, musste triftige Gründe vorweisen und benötigte ein Permit vom Atoll-Administration. Ohne Bürgschaft eines angesehenen Maledivers war es nicht erhältlich. Die Beschaffung dauerte einige Tage. Auf ein Gastvisum, das meine Aufenthaltserlaubnis bis zu einem halben Jahr verlängerte, wartete ich mindestens 10 Tage. Unbewohnte Inseln durfte man nur mit Erlaubnis ihres Pächters betreten.

Versorgung auf den Inseln der Fischer

Jedes Inseldorf hat zumindest einen Stubenladen. Darin bekommt man für wenig Geld Reis, Zucker, Salz, Weißmehl, Zwiebeln, Curry, Knoblauch, cholesterinfreies Pflanzenöl, Milch- und Kakaopulver, Getränkedosen, Feuerzeuge, Thun in Öl, manchmal sogar Kartoffeln.
Nüsse, Räucherfisch, Limonen, Bananen, Brotfrucht, Papayas, im Süden auch Ananas, Tomaten, Kohl ... erwirbt man von privaten Erzeugern.